29. Februar 2012

EXIT ruft zur offiziellen Anerkennung aller Opfer durch rechtsextreme Gewalt auf

Seit Jahren ist es ein Ärgernis: Staatlich-offiziell gibt es 58 Tote rechtsextremer Gewalt nach der Wende – nach Recherchen von Journalist/innen und der Amadeu Antonio Stiftung sind es mindestens 182. An dieser Diskrepanz will nun die Aussteigerinitiative EXIT und der “Aktionskreis ehemaliger Rechtsextremisten” rütteln und startet eine Aktion auf Facebook und Petitiononline.de mit dem Ziel, dass alle Todesopfer rechtsextremer Gewalt als solche anerkannt werden.

Und dies ist der Aufruf von EXIT Deutschland und dem “Aktionskreis ehemaliger Rechtsextremisten”:

Von Ingo Hasselbach und Bernd Wagner

Die Würde des Menschen ist unantastbar!
Das ist für uns der zentrale Satz der Gedenkveranstaltung für die Opfer der Zwickauer Terrorzelle. Diese Gruppe hat uns wie nie zuvor in diesem Land vor Augen geführt, welche Dimensionen der Terror von Rechtsradikalen haben kann – wir wissen wovon wir reden. Und es ist noch nicht vorbei, denn die Gedenkveranstaltung und die Untersuchungsausschüsse werden die letzten zwanzig Jahre rechtsradikaler Gewalt in Deutschland nicht erklären können. Zumindest nicht, solange wir uns damit nicht als Gesellschaft auseinandersetzen und Verantwortung übernehmen.

182 Tote sind nach Recherchen der MUT-Redaktion und des Opferfonds CURA derAmadeu Antonio Stiftung zu beklagen. 182 Menschen, die ihr Leben durch Hass, Rassismus und Antisemitismus verloren haben. Auf diese Dimension der Gewalt haben wir schon bei der Gründung von EXIT-Deutschland im Jahr 2000 hingewiesen, als wir uns öffentlich im stern mit den Opfern und ihrer Perspektive solidarisierten.
Wir müssen erkennen, dass bundesdeutsche Behörden, Polizei, Justiz, Verfassungsschutz und der Rechtsstaat kläglich versagt haben. Wie es nicht nur der Fall der NSU drastisch zeigt, ist es mit dem Handeln der Apparate unseres Rechtsstaates oft nicht weit her. Dabei geht es nicht um den Verfassungsschutz allein, wenn er auch zurecht in der Kritik steht, Misstrauen angebracht ist und seine Funktionen neu geregelt werden sollten, sondern um sämtliche staatliche Behörden. Nicht ohne Grund begann Angela Merkel auf der Gedenkfeier ihre Rede mit diesem Gedanken: “Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.” – Aller staatlichen Gewalt!
Es fehlt offenbar der Willen, das Grundgesetz als unmittelbar geltendes Recht zu leben und in jedem Einzelfall konsequent, öffentlich überzeugend und ohne Fensterreden zu demonstrieren.

Das hat bis in jede staatliche Handlung hinein unmittelbare und gravierende Konsequenzen. Es geht nicht um moralische Appelle, sondern um Handfestes, oft bis tief in juristische und andere Bereiche hinein, wo sich Verantwortungslosigkeit und angewandte Menschenfeindlichkeit hinter Bürokratie verschanzen.
Wir als Bürger wollen mehr Verantwortung übernehmen, die Behörden des Rechtsstaats kritisch begleiten und mit für den Schutz der Verfassung und der Grundrechte zu sorgen.

Die jüngsten Ereignisse und Morde der braunen Terroristen zwingen uns als Gesellschaft endlich aufzuarbeiten, was all die Jahre gerade in der Politik nur am Rande eine Rolle spielte:
Es ist Zeit, die Würde der Opfer des braunen Wahnsinns wiederherzustellen. Dies kann und muss mit der Anerkennung aller Opfer rechtsradikaler Gewalt beginnen. Welches Signal sendet eine Gesellschaft aus, wenn sie die Schicksale der Opfer unkommentiert stehen lässt und diese so erst zu dem werden, was sie für die Täter waren: bloße Objekte ihres Hasses. Welches Signal senden wir aus an die Täter und geistigen Brandstifter?

Mit dem Gedenken an jedes einzelne Opfer rechtsradikaler Gewalt ist verbunden, dass die Verfolgung der Täter in diesem Land stärker als gemeinsame Verantwortung wahrgenommen wird. Vor allem aber geht es darum, die Würde und den Respekt aller Opfer – als Menschen – öffentlich wieder herzustellen. Setzen Sie daher ein Zeichen unter:

Facebook-Seite

Für die Anerkennung aller Opfer durch rechte Gewalt

Unterzeichner des Aktionskreis ehemaliger Rechtsextremisten / EXIT-Deutschland
Gabriel Landgraf | Ehem. Freie Kameradschaftsszene / BASO / MHS
Heidi Redeker | Ehem. Heimattreue Deutsche Jugend
Tanja Privenau | Ehem. Freie Kameradschaftsszene / Artgemeinschaft
Martin Engelbrecht | Ehem. Freie Kameradschaftsszene / Club 88 Norddeutschland
Matthias Adrian | Ehem. NPD / JN
Oliver Podjaski | Ehem. Kameradschaftsszene / Sänger der Gruppe Hauptkampflinie
Manuel Bauer | Ehem. Kameradschaftsszene Sachsen
Christoph Schwarz | Ehem. Autonome Nationalisten NRW
Christian Ernst Weißgerber | Ehem. Autonome Nationalisten, Media pro Patria, Sänger der Gruppe Novus Ordo Mundi
Steven Hartung | Ehem. Autonome Nationalisten, Media pro Patria
Marcel W.* | Ehem. Freie Kameradschaftsszene
Klara F.* | Ehem. Freie Kameradschaftsszene Norddeutschland / Brandenburg / Berlin
Sascha S.* | Ehem. NPD / JN
Sebastian I.* | Ehem. Freie Kameradschaftsszene Berlin
Elisabeth V.* | Ehem. Freie Kameradschaftsszene Süddeutschland
*Name geändert. Der richtige Name ist dem Aktionskreis bekannt.
Weitere Unterzeichner:
Fabian Wichmann | EXIT-Deutschland
Daniel Köhler
Ahmad Mansour | Psychologe
Alper Taparli | Kommunikationswissenschaftler
Claudia Dantschke | ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur gGmbH