17. Oktober 2011

Bumerang? Zur Frage der Vergangenheit in rechtsextremen Gruppen und Parteien

Die Vergangenheit kommt immer wieder zurück. Sie lässt sich trefflich einsetzen, um einen Mythos zu weben oder Menschen zu demontieren.

Nun ist nicht jede Vergangenheit überall präsentabel, weil sie belastet ist von Ansichten und Taten, die abgelehnt oder geächtet werden. Dazu gehört heute die Mitgliedschaft in rechtsextremen Gruppen und Parteien. Mit der Feststellung einer solchen Vergangenheit wird nicht selten der Gedanke verbunden, dass sie eine „unheilbare Krankheit“ darstelle, gar ein Verbrechen, dass sich als Stigma bis zum Tode eines Menschen hinziehe. Andere dagegen meinen, dass es mit der Feststellung getan sei, dass nur eine Jugendsünde begangen worden sei.

Die Frage jedoch ist eine andere. Wie stelle ich mich heute zu meinen Ansichten und Einstellungen zum Menschen, welches Bild habe ich von ihm, welche Vorstellungen habe ich von den Werten der Gesellschaft. Lebe ich in einer inneren Welt, die die Freiheit, die Würde, die Rechte jedes Menschen, die Gleichwertigkeit verwirft oder in einer, die sich diesen Werten verpflichtet sieht. Bin ich gegen oder für diese Menschenrechte tätig, achte und fördere ich die Grundrechte anderer oder gehe ich gegen sie vor. Dazu gehört die Frage, ob und welche Schuld ich auf mich geladen habe, die Rechte und Freiheit von Menschen, deren Leben und Gesundheit beschädigt zu haben. Für die Gegenwart und die Zukunft wichtig ist es, in welche Richtung ich mich entschieden habe, welche Verantwortung ich übernehme, wofür ich mich heute aus innerer Überzeugung eintrete. Das schließt die politische Aktivität mit ein. Strafrechtliche und moralische Schuld zu bekennen, gehört als Akt dazu.

Es gehört zu einem heutigen Bild der Menschenwürde, dass es möglich ist, eine neue Haltung zum Leben und zu anderen Menschen, zu den gesellschaftlichen Verhältnissen einzunehmen, für neue Überzeugungen einzutreten. Deshalb ist es nicht politisch und moralisch verwerflich, wenn ein ehemaliges Mitglied der NPD sich in einer demokratischen, nicht verfassungsfeindlichen Partei mitwirkt und auch Verantwortung übernimmt. Die Voraussetzung ist natürlich, dass das Weltbild der NPD und anderer Rechtsextremisten aus dem Kopf verschwunden ist.

Es gibt ehemalige Nazis und NPDler, die sich heute in einer der demokratischen Partei engagieren. Andere helfen im AKTIONSKREIS Ehemaliger mit, über den menschenfeindlichen Charakter von Ideologien der Ungleichwertigkeit aufzuklären und den Weg ihrer persönlichen Einsicht zu verdeutlichen. Das ist kein Spaziergang, weil auch Schande öffentlich bekannt wird, auf die die Betreffenden nicht stolz sind.

Sinnvoll ist es, Menschen, dort wo es geboten erscheint, über die eigene Vergangenheit zu informieren. Das ist dann unzweckmäßig, wenn Gefahr für Leib und Leben droht. Dort aber wo politische, öffentliche Funktionen in Rede sind, sollte über die Vergangenheit und ihre inhaltlichen Fragen in politischer und ethischer Hinsicht gesprochen werden, auch wenn es allen Beteiligten wehtut. Ausgrenzung und Ächtung sind der falsche Weg.

Bernd Wagner