9. März 2020

„Niemand wollte das damals hören“

Bernd Wagner von der Aussteiger-Organisation hatte schon in der DDR als Kriminalbeamter mit Neonazis zu tun. Offiziell gab es die aber gar nicht.

taz: Herr Wagner, Sie sind ehemaliger DDR-Polizist, Kriminalbeamter der BRD, und Gründer der Nazi-Aussteiger-Organisation Exit Deutschland. In all ihren Betätigungsfeldern haben Sie sich mit der extremen Rechten beschäftigt. Wieso?

Foto: Wolfgang Borrs

Bernd Wagner: Alles begann 1974 mit einer schweren Schlägerei bei der nationalen Volksarmee. Meine Freunde beim Militär und ich hatten uns mit einer Gruppe Neonazis angelegt. Nachdem die Offiziere vom Hof waren, hat diese Clique eine ganze Kompanie beherrscht: Zwischen 17 Uhr und 6 Uhr früh sprachen sich die Soldaten nur noch mit SS-Dienstgraden an. Die meisten Wehrpflichtigen und Unterführer haben dem nur wenig entgegengesetzt. Wir hingegen galten als rote Säue. Heute hätte man gesagt: Zeckenkompanie. Immerhin haben wir die Schlägerei gewonnen.

Deswegen beschäftigten Sie sich später mit Rechtsextremismus?

Na ja, es ging weiter an der Humboldt-Universität, wo ich Kriminalistik studiert habe. Dort gab es Studenten aus der Sowjetunion, die sich selbst als Nationalsozialisten definierten. Schließlich bin ich noch 1980 in Wolgograd, dem ehemaligen Stalingrad, im Rahmen einer FDJ-Reise Zeuge einer Hitler-Feier im Hotel geworden. Die Leute dort hielten Laudationes auf den Nationalsozialismus und entboten sich Hitlergrüße. Am Ort des heftigsten Geschehens des Zweiten Weltkriegs. Die Polizei war vor Ort, aber duldete das. Spätestens da habe ich mir so meine Gedanken gemacht: Was ist hier los? Ich dachte, wir leben im Antifaschismus.

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