Grußwort zu #EXIT20 von Philipp Neumann-Thein
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“ Mit diesem Satz beginnt Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte. Die Erklärung selbst wie auch die Etablierung der Vereinten Nationen, die sie 1948 verabschiedeten, stehen für den Versuch, angesichts der katastrophalen Erfahrung der nationalsozialistischen Menschheitsverbrechen eine neue, für alle Menschen bessere Weltordnung zu schaffen. Daran unmittelbar beteiligt waren gerade auch Widerstandskämpfer und Überlebende der NS-Konzentrations- und Vernichtungslager, aus Buchenwald und Mittelbau-Dora.
Mehr als sieben Jahrzehnte später verbreiten sich nationalistische, völkisch-rassistische Einstellungen, Antisemitismus, Antiziganismus, Xenophobie und rechtsextremes Gedankengut auch in Deutschland wieder in bedrohlicher Weise – mit schlimmsten Konsequenzen: von aggressiver Hetzpropaganda gegen Menschen, die anders denken, aussehen, lieben, glauben oder leben, über gewaltsame Ausgrenzungsversuche, bis hin zu kaltblütigen Mordaktionen wie zuletzt in Halle und Hanau.
In diesen Zeiten gewinnen zivilgesellschaftliche Aktionen und Initiativen umso mehr an Bedeutung, die sich nachhaltig für Menschenfreundlichkeit, eine offene Gesellschaft und die freiheitliche Demokratie in unserem Land einsetzen. Seit nunmehr 20 Jahren leistet EXIT-Deutschland dafür einen ganz eigenen, wichtigen Beitrag und bietet Rechtsextremen, die zum Ausstieg aus Hass und Gewalt bereit sind, Hilfe und Perspektiven.
In den letzten Jahren arbeiteten EXIT-Deutschland und die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora enger zusammen. Beispielsweise stand für das Programm zum 75. Jahrestag der Befreiung der KZ Buchenwald und Mittelbau-Dora im April 2020 die Präsentation der einzigartigen Ausstellung „haut. stein.“ des Fotographen Jakob Ganslmeier im Deutschen Nationaltheater Weimar fest – was wegen der Absage aller Veranstaltungen aufgrund der Corona-Pandemie nun zunächst leider nicht möglich war. Nach den Dreharbeiten mit Felix Benneckenstein für den von EXIT unterstützten Dokumentarfilm „Haßjünger“ in der Gedenkstätte Buchenwald denken wir zudem über Bildungsprogramme nach, um auch anderen Aussteigern am Ort des früheren Konzentrationslagers die Auseinandersetzung mit den Details der Verbrechen und den menschenverachtenden Folgen nationalsozialistischer, völkisch-nationalistischer und rassistischer Ideologie zu ermöglichen.
Wir wünschen allen Engagierten bei EXIT-Deutschland für ihre enorm wichtige Arbeit auch künftig ganz viel Kraft, Ausdauer, Kreativität und Erfolg – ebenso wie die dringend nötige, nicht zuletzt finanzielle Wertschätzung, Förderung und Unterstützung.
Dr. Philipp Neumann-Thein
Kommissarischer Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora