2. Oktober 2019

Initiative gegen Rechts: Aussteigerprogramm "Exit" droht das Aus

Mehreren hundert ehemaligen Rechtsextremen gelang mit „Exit“ der Ausstieg aus der Szene. Doch jetzt droht dem erfolgreichen Projekt das finanzielle Aus.

Felix Benneckenstein im Interview, in einem Park.

Felix Benneckenstein kennt die bayerische Neo-Nazi-Szene aus eigener Erfahrung: Der 33-Jährige arbeitet als Ausstiegsberater für „Exit“. Er kümmert sich heute um Menschen, die eine ähnliche Einstellung hatten wie er früher: Als Teenager in Erding verehrte Felix Hitler, wurde bekannt als rechtsextremer Liedermacher.

„Ich habe jeden Tag versucht, Leute zu erreichen, die man für Volksgenossen hält – und bei anderen habe ich versucht, sie einzuschüchtern: Jugendliche, die man für links hielt, oder auch Lokaljournalisten.“ Felix Benneckenstein, Ausstiegsberater für Exit
„Ich weiß nicht, ob ich ohne Exit noch am Leben wäre“

Dass Felix Benneckenstein den Ausstieg geschafft hat, verdankt er den Mitarbeitern von „Exit“. Sie gehen direkt in die Neonazi-Szene und helfen Aussteigern, die von einstigen Kameraden bedroht werden, den Wohnort zu wechseln. Für Felix machte genau das den Unterschied:

„Ich weiß nicht, wo ich gelandet wäre, ob ich heute noch am Leben wäre oder schon komplett abgestürzt und nicht mehr auffindbar. Für einen Schritt in die normale Gesellschaft brauchte ich Exit.“ Felix Benneckenstein, Ausstiegsberater für Exit
Nach dem Verzicht auf das NPD-Verbotsverfahren – und auch als eine Lehre aus der NSU-Mordserie – hat das Bundesfamilienministerium 2013 entschieden, die Arbeit von „Exit“ dauerhaft zu fördern. 2018 erhielt die gemeinnützige GmbH aus Bundesmitteln 225.000 Euro. Doch jetzt wurden die Förderrichtlinien geändert, Deradikalisierung soll nicht mehr gefördert werden.

Initiative vor dem Aus?
Damit droht der Initiative das Aus, fürchtet Mitbegründer Bernd Wagner. Seit 19 Jahren leitet der ehemalige Kriminalpolizist „Exit“. Wagner ist wütend auf das Bundesfamilienministerium.

„Extremismus-Prävention wird auf Bundesebene in den Mittelpunkt gestellt. Das bedeutet allerdings, dass Deradikalisierung nicht vorkommen kann, weil dieses systematisch nicht zur Prävention gerechnet wird.“ Exit-Mitbegründer Bernd Wagner
Er fürchtet, dass künftig nur noch Aktivitäten gefördert werden, die verhindern, dass jemand in die rechte Szene abbiegt. Denjenigen hingegen, die bereits in der Szene drin sind, könnte dann nicht mehr geholfen werden.

Kritik auch vom Koalitionspartner
Politiker unterschiedlicher Lager kritisieren das Bundesfamilienministerium für seinen Umgang mit „Exit“, so auch Wolfgang Bosbach von der CDU:

„An der erfolgreichen Arbeit gibt es keine sachlichen Zweifel. In dem Moment ihnen den Geldhahn zuzudrehen, ist nicht nur unverständlich, das ist unverantwortlich.“ Wolfgang Bosbach, CDU
Die Bundestagsfraktion der Linken hat eine Anfrage an die Bundesregierung gestellt. Auch das BR-Politikmagazin Kontrovers fragt nach: Warum handelt das Bundesfamilienministerium so? Ein Sprecher teilt mit, man könne konkret zu „Exit“ derzeit keine Auskünfte geben, da man sich in einem laufenden Verfahren befände.

Für Betroffene eine Katastrophe
Bis Jahresende müssen die „Exit“-Mitarbeiter 115 Fälle abwickeln, viele davon auch in Bayern. Für einige Betroffene eine Katastrophe, sagt Felix Benneckenstein:

„Wenn diese Stütze wegfällt, da gibt es halt ein paar Leute, wo ich weiß, dass sie sich nichts Anderes suchen werden und da hab ich vor allem Angst um die Personen selbst. Angst, das schwere Abstürze stattfinden oder Selbstverletzungen.“ Felix Benneckenstein, Ausstiegsberater für Exit

Felix Benneckenstein hofft, dass der öffentliche Druck hilft. Und das Bundesfamilienministerium doch noch einlenkt.

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