6. April 2020

Kein EXIT ohne EXIT - Ausgestiegene über EXIT-Deutschland

Rotes Deckblatt und Logo von EXIT-Deutschland der Publikation "Kein EXIT ohne EXIT"

Seit dem Jahr 2000 bietet EXIT-Deutschland Hilfen für Personen, die aus der rechtsextremen Szene aussteigen wollen. Bernd Wagner war schon in der DDR als Kriminalpolizist mit Neonazis befasst – hat sie für ihre Straftaten hinter Gitter gebracht, Ideologie, Strukturen und Vorgehensweisen studiert und analysiert. Schon damals stellte er fest, dass Repression bei der Verfolgung und Ahndung von Straftaten unerlässlich ist, aber kein Mittel, um Rechtsextremisten von ihrer Ideologie abzubringen – die notwendige Voraussetzung dafür, dass diese von politisch motivierter Gewalt ablassen. Mit der Wende vereinigten sich auch die Neonazis zu einer neuen Dimension des Rechtsextremismus in Deutschland. Die Ereignisse der 1990er Jahren sind in bleibender Erinnerung. Einer der führenden Neonazis der damaligen Zeit in Berlin war Ingo Hasselbach. Bernd Wagner, nun Leiter Staatsschutz für die Neuen Bundesländer, kannte ihn schon als Nazianführer in der Wende-DDR. 1993 wollte er aussteigen. Kein leichtes Unterfangen. Aussteiger gelten als Verräter, die einschließlich ihrer Verwandten und Helfer verfolgt, nicht selten mit dem Tode bedroht werden und gar getötet worden sind.

Ohne Hilfe von außen ist das meist nur schwer zu bewältigen. So entstand die Idee zur Gründung von EXIT-Deutschland. Die Bilanz: 20 Jahre Arbeit, rund 35 Jahre Erfahrung, 746 Aussteiger und eine permanent unsichere Finanzierungslage. Ein Ausstieg dauert im Schnitt zwischen 1-3 Jahren, eine Begleitung oftmals noch Jahre darüber hinaus, vor allem, wenn Kinder mitbetroffen sind oder bei einer Odyssee durch mehrere Bundesländer und Ämter. Eine fatale und gefährliche Situation für die Aussteiger, wenn die Begleitung abgebrochen werden müsste.

Mit dieser Publikation wollen wir Aussteiger zu Wort kommen lassen, die wir begleitet haben. Frauen und Männer aus ganz Deutschland, aus den unterschiedlichsten Strukturen und Szenemilieus, jeder Ausstieg so individuell wie die Person und doch ähnlich in den Erlebnissen und alle mit dem Fazit – die Unterstützung war wichtig. Trotz ihrer teilweise dramatischen Sicherheitslage ergreifen sie hier das Wort, um sich dafür einzusetzen, dass die Hilfe, vor allem auch für andere, die aussteigen wollen, nicht wegbricht. Aus Sicherheitsgründen wurden einige Gesichter durch ein Symbolbild ersetzt oder mit einem nicht mehr aktuellen Bild abgebildet. Die Namen sind bis auf Ausnahmen verändert.

EXIT-Deutschland bietet Hilfe zur Selbsthilfe. Niemand kommt darum herum, sich seinen Taten zu stellen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Aber jeder hat das Recht auf einen Neuanfang. Und es ist die Pflicht einer demokratischen Gesellschaft, diesen zuzugestehen und zu unterstützen.

Kein EXIT ohne EXIT - Ausgestiegene über EXIT-Deutschland

Dies Publikation entstand im Rahmen des EXIT Salon 2019 in Kooperation mit der Meta Grey GmbH Berlin. Im Sommer/Herbst 2019 war die Förderung von EXIT-Deutschland erneut unklar. Mitglieder des Aktionskreis EXIT-Deutschland hatten sich daher damals zu diesen Statements entschlossen. EXIT-Deutschland wird durch Spenden finanziert sowie seit 2020 Projektbereiche über das Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie leben!

U. Krause; F. Wichmann (2019) Kein EXIT ohne EXIT – Ausgestiegene über EXIT-Deutschland. Begleitpublikation zum EXIT Salon „Radikal anders“. ZDK Gesellschaft Demokratische Kultur gGmbH, Berlin.